Gibt es ein Zeugnisverweigerungsrecht bei der Beantwortung der Frage, ob Testierunfähigkeit vorliegt?

Grundsätzlich besteht nach dem Tod des Erblassers kein Zeugnisverweigerungsrecht für Ärzte oder Mitarbeiter einer Krankenkasse, wenn im Erbscheinsverfahren die Testierfähigkeit angezweifelt wird.

Im vorliegenden Fall errichtete der Erblasser im Jahr 2006 ein Testament, in dem er seine Tochter zur Alleinerbin einsetzt. Später, im Jahr 2009 änderte er das Testament und errichtete dahingehend ein neues, dass seine vier Kinder jeweils zu Miterben (1/4) eingesetzt werden. Im Erbscheinsverfahren ist die Testierfähigkeit bestritten.

Im Jahre 2007 wurde durch die Krankenversicherung des Erblassers ein Pflegegutachten beim Medizinischen Dienst eingeholt. Aufgrund dieses Gutachtens wurde er in die Pflegestufe I eingestuft.

Bei der Frage, ob Testierunfähigkeit vorlag, möchte der zuständige Sachbearbeiter der Krankenversicherung seine Aussage vor Gericht verweigern. Die Testierfähigkeit war jedoch auch Gegenstand des Gutachtens.

Das AG Augsburg gesteht dem Zeugen kein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Grundsätzlich handelt es sich bei dem vorgenannten Gutachten um Sozialdaten, gemäß § 67 Abs. I SGB X. Diese Daten sollen vorliegend übermittelt werden. Die Vermittlung, d.h. Weitergabe dieser Daten, kann auch durch Zeugenaussage geschehen. Hierbei kann sich ein Zeuge nicht auf sein Verweigerungsrecht gemäß § 35 Abs. III SGB I berufen. Die Zulässigkeit der Informationsübermittlung ergibt sich aus § 35 Abs. V, Satz 2 SGB I. Denn es kommt dadurch zu keiner Beeinträchtigung von schutzwürdigen Interessen des Erblassers oder seiner Angehörigen. Die geforderte Offenlegung entspricht auch dem mutmaßlichen Willen des Erblassers. Es liegt in seinem Interesse, dass eine Testierunfähigkeit offen gelegt wird. Ferner liegt es nicht in seinem Interesse, dass die Schutzvorschriften für Testierunfähige durch die ärztliche Schweigepflicht konterkariert werden (vgl. hierfür lediglich: BGH, NJW 1984, 2893; OLG Naumburg, NJW 2005, 2017).

Es besteht nach dem Tod des Erblassers auch kein mögliches Geheimhaltungsinteresse (siehe: BGH, NJW 1983, 2627). Grundsätzlich wird die ärztliche Schweigepflicht von den Gerichten nach dem Tod des Erblassers für beendet angesehen.

(AG Augsburg, Beschl. v. 17.07.2013 – VI 1163/12)

Die Kanzlei Dr. Papsch & Collegen berät Sie gerne umfassend auf dem Gebiet des Erbrechts. Damit es später wie in dem obigen Fall nicht zu Streitigkeiten unter den Erben kommt, empfiehlt es sich, sich bei Testamentserstellung anwaltlich beraten zu lassen.