Wie ist der Begriff des „gleichzeitigen Versterbens“ in einem Ehegattentestament auszulegen?

Gibt es bei der Formulierung Besonderheiten und Unterschiede?

Solche Klauseln werden von Ehegatten oftmals vereinbart, gerade wenn sie vor einer Urlaubsreise noch schnell ein Testament errichten wollen. Die Klausel soll den Fall regeln, in dem beide Ehegatten „gleichzeitig“ versterben. Diese Klausel wird deswegen auch allgemeinhin als Katastrophenklausel bezeichnet. Eine solche Klausel ist in vielen Fällen nicht unproblematisch. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Tod nicht in der gleichen juristischen Sekunde eintritt, sondern zu einem anderen Zeitpunkt.

Das Ehegattentestament oder auch Berliner Testament, führt in den meisten Fällen dazu, sich mit der Frage der Schlusserbfolge auseinanderzusetzen. Dies kommt besonders dann zum Tragen, wenn beide Elternteile gleichzeitig versterben. Zu denken ist besonders an Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen, o.Ä. Diese Fälle werden mit Formulierungen wie: „Wenn wir gleichzeitig versterben“, „Wenn uns beiden etwas zustößt“, „Sollte uns beiden ein Unglück passieren“ erfasst.

Bei solchen Formulierungen gilt es grundsätzlich zu beachten, dass sie auslegungsfähig sind. Vor allem, wenn der Todeszeitpunkt der Testierenden nicht gleich ist, sondern ein längerer Zeitraum dazwischen liegt.

In den Fällen, in denen ein Erblasserwille nicht nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelt werden kann, kommt die Norm des § 2269 Abs. I BGB zum Greifen. Diese Regel darf jedoch auch nur in denjenigen Fällen angewendet werden, in denen eine Auslegung nicht möglich ist – so der Wortlaut.

§ 2269 Abs. I BGB greift ein, wenn neben der gegenseitigen Erbeinsetzung auch eine Schlusserbeinsetzung geregelt ist.

Nach dem Wortlaut kann § 2269 Abs. I BGB nicht angewendet werden, weil lediglich der gleichzeitige Todeseintritt im Testament geregelt und erwähnt ist – nicht jedoch der Todeseintritt zu einem späteren Zeitpunkt. Ist der Todeszeitpunkt nicht bekannt, so greift § 11 VerschG. Hiernach wird ein gleichzeitig eingetretener Tod vermutet.

§ 2269 Abs. I BGB bietet grundsätzlich den Rahmen für eine Anwendung in Fällen, in denen eine Vor- und Nacherbeinsetzung denkbar ist. Hierfür muss dies von dem kurz vorher verstorbenen Ehegatten gewollt worden sein.

Die zu den Erben eingesetzten Kinder wären mithin Nacherbe des ersten Elternteils, seines Zeichens Vorerbe, und unmittelbare Vollerben des danach sterbenden Elternteils.

Fraglich ist, ob dies die Ehegatten bei Errichtung ihres Testaments erkennen und vor allem, ob dies gewollt ist.

In der Rechtsprechung wurde zunächst festgestellt, dass die Formulierung „gleichzeitiges Versterben“ nicht auslegungsfähig ist. Der BGH ist bei der Auslegung einen Schritt weiter gegangen. Für ihn zählt der reine Wortlaut nicht mehr, er stellt auf den subjektiven Erblasserwillen ab. Bei dieser Auslegungsmethode kann der Erblasserwille auch entgegen dem Wortlaut gedeutet werden. Damit dies möglich ist, muss dieser Wille zumindest im Testament angedeutet sein. So wird von der Klausel „ gleichzeitiges Versterben“ auch ein Tod zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst. Mithin beim zeitnahen Versterben aufgrund desselben Umstandes (Unfall, Flugzeugabsturz…), bei dem die Erbeinsetzung der Schlusserben anzunehmen ist. Auch in denjenigen Fällen, in denen beide Ehegatten zeitnah versterben, jedoch durch unterschiedliche Umstände,soll dies vom gemeinsamen Erblasserwillen ebenfalls umfasst sein.

Nach dieser Theorie der Auslegung ist es bei einer umfassenden Regelung der Vermögensnachfolge beider Ehegatten unerheblich, wie groß der zeitliche Abstand zwischen den Todesfällen ist. In diesen Fällen wird den Katastrophenklauseln eine allgemeine Schlusserbeinsetzung entnommen.

So wurde vor Gericht ein Zeitraum von 12 Jahren noch als gleichzeitig anerkannt.

Wird in dem Testament die weitere Klausel „wenn uns beiden etwas zustößt“ gewählt, liegen die notwendigen Aspekte für den Erblasserwillen in der Regel vor.

(In Anlehnung an NJW-Spezial, Heft 22, 2013)

Bei der Erstellung ihres Testaments sollten Ehegatten unbedingt einen Anwalt konsultieren und sich umfassend beraten lassen. Ansonsten kann es nicht nur schnell zu Konflikten zwischen den Erben kommen, auch die Erbfolge an sich kann unklar sein.